Kunstsaison 2024
30. MÄRZ - 27. OKTOBER 2024
Die Domaine de Chaumont-sur-Loire möchte sich in diesem Jahr dem Geist der Gärten von Bomarzo annähern, mit einigen Monstern und Verrücktheiten, fantastischen Figuren aus der Welt der Märchen oder der Mythologie in den dicht belaubten Hainen des historischen Parks!
An erster Stelle La Grotte Chaumont von Miquel Barceló, ein monumentales Werk aus Keramik, angefertigt in seiner Ziegelwerkstatt auf Mallorca, mit außergewöhnlichen Dimensionen – an die 8 Tonnen – wie sie der Künstler bislang noch nie hervorgebracht hat, ein Wundertäter, der seit langem eine besondere Leidenschaft für die Formbarkeit der Erde und ihre tellurische Energie hegt. Die Höhle wurde in Anlehnung an den berühmten Mantels der Kathedrale von Mallorca entworfen, aber dazu bestimmt, den Widrigkeiten der Zeit zu trotzen. Sie erinnert an den gähnenden Schlund eines monströsen Tieres , das bereit ist, uns zu schnappen. Eine große Premiere, die nicht nur ein ästhetisches Meisterwerk, sondern auch eine unerreichte technische Leistung darstellt.
Nur ein kleines Stück weiter, nicht weniger rätselhaft, ziehen die riesigen, aus Seil gewebten Figuren von Prune Nourry mit ihren ungeheuren menschenähnlichen Silhouetten, die sich unter unseren Augen in Bäume verwandeln, neugierige Blicke auf sich, während L‘Oiseleur („Der Vogelfänger“) und L‘Homme sauvage („Der wilde Mensch“), zwei beeindruckende Stücke von Denis Monfleur, im großen grünen Dickicht des Parks ihren Platz gefunden haben. Doch damit nicht genug, noch weitere Überraschungen erwarten das Auge. Ist das nicht eine Zeder im goldenen Sonntagsgewand, die man da erblickt? So verziert kann der Schmuckbaum von Olga Kisseleva seine mysteriöse Sprache offenbaren.
Und nun tritt Le Locataire („Der Mieter“) von Gloria Friedmann in Erscheinung. Unter dem Vordach der Stallungen befragt uns die imposante Tonskulptur zu unserem Verhältnis zur Natur und unserem Platz auf der Erde. Können wir das Gleichgewicht noch halten, das für uns überlebenswichtig ist?
Eine weitere, ebenso spektakuläre Etappe auf dem Rundgang des Besuchers ist der Anblick der imposanten Skulpturen aus Cortenstahl von Bernar Venet. Ihre Bögen, die mit den großen Bäumen des Parks im Dialog stehen, verzaubern den Ort, passend zu seinem Wesen, mit ihren kreisrunden Formen. Anderer Künstler, anderes Metall. Vincent Barré hat seinerseits längliche Schäfte entworfen, die an diesem geschichtsträchtigen, kunstgeprägten Ort den Raum durchqueren wie anonyme, undurchdringliche Zeichen und uns von der Vergänglichkeit der Dinge und unseres Daseins auf dieser Welt erzählen. Hier unterliegt alles der Interpretation, wie im Heiligen Wald von Bomarzo.
Doch verlassen wir nun den Historischen Park, um weitere Extravaganzen, weitere Sichtweisen auf die Natur zu entdecken. Begeben wir uns in Welten mit einer Fülle aus Gärten, Blumen, Blättern, Erde und sogar Pollen. In den Oberen Schlossgalerien entdecken wir die subtil heitere Atmosphäre des Malers Vincent Bioulès mit rund vierzig Gemälden, die der Natur und der Landschaft gewidmet sind und durch eine außergewöhnliche Beherrschung von Farbe und Licht erstrahlen. Einige Säle weiter wartet das fabelhafte Stück Laissez entrer le soleil („Lasst die Sonne herein“) von Pascal Oudet, das das Material einer Eiche in hauchdünne Spitze verwandelt und uns die innerste Geschichte dieses Baumes offenbart.
Wie ein Kontrapunkt zu diesen bewegten Formen hat die minimalistische Installation von Kôichi Kurita in Dianes Turm Einzug gehalten. Die faszinierenden, mit Erde gefüllten Fläschchen reihen sich hier aneinander und zeigen einen Teil der kostbaren „Erdbibliothek“, eine konkrete Utopie, die der Künstler seit 20 Jahren zusammenstellt.
Zurück im Schloss erwarten die hängenden Lüster von Pascale Marthine Tayou die Besucher in der Bienenscheune. Die Pracht der Natur, hybridisiert mit Müllmaterial der Menschheit.
In den Galerien des Agnès-Varda-Hofs präsentieren sich die Gärten von Damien Cabanes als wahre Augenweide. Diese Gemälde auf Papier, die aus einem Aufenthalt auf der Domaine von Chaumont-sur-Loire hervorgegangen sind, vereinen die Frische des eingefangenen Moments mit der Tiefe einer Arbeitsweise, die durch und durch von der Kunstgeschichte geprägt ist.
Im Wirtschaftshof wiederum ist das Werk Mundo Perdito zu sehen, drei Gebilde aus mit Blattgold verzierter Bronze von Anne und Patrick Poirier, während das Künstlerduo das Eselsgehege mit Gemälden und Fotografien auf Porzellan ausstattet, die mit Botschaften versehen sind: „Damit man der Natur befehlen kann, muss man ihr gehorchen“, ist hier unter anderem zu lesen. Im oberen Stockwerk rehabilitiert die Fantasiewiese von Karine Bonneval die Schönheit der Pollen, deren Aufgabe darin besteht, Leben weiterzutragen. Indem sie den Blick verändert, hat die Kunst tatsächlich die Macht, die Welt zu verändern.
Chantal Colleu-Dumond
Ausstellungskuratorin