Schloss
A. Gao Xingjian
"Appel pour une nouvelle Renaissance"
published at 21/01/2019
“Mit seinem Appel pour une nouvelle Renaissance (Aufruf zu einer neuen Renaissance) befürwortet dieser Anhänger der Gesamtkunst, Gao Xingjian, einen neuen Gedanken, um die Welt über die Kultur wachzurütteln und an das Gewissen zu appellieren. Er ist Schriftsteller, Maler, Dramatiker, Regisseur und Poet: Gao Xingjian ruft zu einer Rückkehr zur grenzenlosen, fachübergreifenden künstlerischen Kreation auf, die weder utilitaristisch ist noch "vermarktet" wird und die Vielschichtigkeit der menschlichen Seele untersucht, um schließlich eine perfekte Verbundenheit von Herzen und Seelen zu erreichen." Chantal Colleu-Dumond
Im Rahmen der Ausstellung von Chaumont-sur-Loire wird die grafische Arbeit von Gao Xingjian, einem französischen Künstler mit chinesischer Abstammung, der 2000 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, präsentiert. Mit Tusche ergründet er einen dritten Weg zwischen bildlicher und abstrakter Darstellung: die Welt seiner Träume. Er versucht, Raum und Zeit in die Malerei einzubringen: “Die von der zerlaufenen Tusche erzeugte Schattierung ist reich und raffiniert, sie eröffnet große plastische Möglichkeiten, die wahre Enthüllungen auslösen können. Des Weiteren ermöglicht die Malerei, eine Reise ins Innere zu unternehmen; alle Orte, die die Phantasie erkunden kann, können durch die Malerei zum Ausdruck gebracht werden, und zwar unbegrenzt […] Wenn die räumlichen Verhältnisse in einem Gemälde verändert wurden, füllt sich die Leere, die Dunkelheit wird zu etwas oder zu nichts, leere Räume werden zu glänzendem Licht. Dies ist hier eine sehr schwer zu erfassende Vision bei der direkten Beobachtung der Natur, aber in einem Schwarz-Weiß-Bild kann man einen Raum aufbauen, der überrascht, den man nur im Traum sehen könnte: handelt es sich nicht eigentlich um ein Bild des Inneren?" Gao Xingjian, Pour une autre esthétique (Für eine andere Ästhetik), 2001.
“Die Malerei von Gao Xingjian hat unbestritten der Tuschemalerei einen neuen Weg gebahnt, und außerdem hat sie die Schwierigkeiten überwunden, mit denen die zeitgenössische Kunst der westlichen Welt konfrontiert wurde, sie hat einen Weg gebahnt, indem neue Perspektiven für die Kunst der Malerei aufgezeigt werden. Zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion erscheinen auch unerschöpfliche Gedankenbilder, die in der Geschichte der Kunst eine neue Seite aufschlagen." Liu Zaifu (Mingbao, 2015).
Zwischen dem kulturellen Erbe seines Heimatlandes und der westlichen Ästhetik lässt seine Arbeit eine große Sensibilität zu Tage treten. Seine imaginären Landschaften erinnern an seine Literaturforschungen, insbesondere für Theater und Oper. Im Juni 2018 hat er in Italien ein Essay mit dem Titel Per un nuovo rinascimento veröffentlicht.
“Er ist nicht nur Künstler und multidimensionaler Literat, wie es nur wenige gibt, sondern auch ein Denker. Sein Denken beschränkt sich nicht darauf, alle ideologischen Zwänge loszuwerden, sondern es bleibt außerdem komplett unabhängig, und er versucht - im Gegensatz zur Vorgehensweise von Philosophen - nicht, Kreation und Überlegung um jeden Preis in den Rahmen eines theoretischen Konstrukts zu pressen. Sein Denken bleibt von Anfang bis Ende lebendig, offen, es sucht nie nach der sogenannten "ultimativen Wahrheit". Wie er selbst sagt, geht es nur darum, das Wissen von der Welt und der menschlichen Natur unaufhaltsam zu vertiefen, um die philosophische Ontologie und alle Werturteile ersetzen zu können." Liu Zaifu (Mingbao, 2015).
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Gao XINGJIAN
FRANKREICH
Gao Xingjian wurde am 4. Januar 1940 in Ganzhou in China geboren. Seine Kindheit war geprägt von den Auseinandersetzungen mit Japan, das 1931 die Mandschurei besetzte und 1945 schließlich kapitulierte. 1951 bis 1957 besuchte er die Oberschule von Nanjing in China, wo er von dem Maler Yun Zongyin die Aquarell- und die Ölmalerei erlernte. 1962 absolvierte er ein Französisch-Diplom am Fremdspracheninstitut in Peking und arbeitete als Übersetzer. Während der Kulturrevolution (1966-1976) wurde er aufs Land geschickt, um von 1970 bis 1975 auf dem Feld zu bearbeiten. Anschließend ging er zurück nach Peking und nahm seine Übersetzertätigkeiten wieder auf.
Nach dem Tod Maos (1976) konnte er endlich reisen. 1979 besuchte er Frankreich und Italien. Zwischen 1980 und 1987 veröffentlichte er zahlreiche Novellen, Essays und Theaterstücke, die dem damaligen Regime missfielen. Seine literarischen Theorien wurden in einem Premier essai sur l’art du roman moderne (Erstes Essay über die moderne Romankunst) (1981) dargelegt. Es rief eine große Debatte über die Moderne und den Realismus hervor. Seine Aufführungen errangen am Volkstheater von Peking die Gunst der Öffentlichkeit: sein Stück Signal d’alarme (Alarmsignal) (1982) läutete den Beginn des experimentellen Theaters in China ein. Die Regierung, die gegen die "geistige Verschmutzung" kämpfte, verurteilte sein satirisches Stück Arrêt de bus (Die Busstation) (1983) über die Fehler der Pekinger Gesellschaft. 1985 wurde L’Homme sauvage (Der wilde Mann) Gegenstand einer neuen Polemik. Zum ersten Mal stellte er in Peking offiziell aus, zusammen mit dem bildenden Künstler Yin Guanzong.
Die internationale Gemeinschaft unterstützte ihn. Nach einer Einladung des Berliner Künstlerprogramms in Deutschland und des französischen Außenministeriums verbrachte er mehrere Monate in Europa. Seine erste eigene Ausstellung im Westen im Berliner Künstlerhaus Bethanien wurde ein Erfolg. 1986 wurde die Vorführung von L’Autre Rive (Das andere Ufer) verboten. Um nicht angefochten zu werden, floh Gao Xingjian für ein Jahr in die Provinz Sichuan und dann an das Ostchinesische Meer über den längsten Fluss Asiens, den Yang Tsé Kiang. 1987 verließ er China und ging nach Paris. Im Folgejahr gewahr ihm Frankreich politisches Asyl.
1989, nach den Ereignissen des Tian'anmen-Platzes schrieb er La Fuite (Die Flucht), ein Stück, die ihm das Verbot all seiner Werke in China einbrachte. 1997 wurde er französischer Staatsbürger. Schon vor diesem Zeitpunkt wurden manche seiner Texte in französischer Sprache geschrieben.
Sein literarisches Werk wurde demnach als "von universaler Gültigkeit" bezeichnet, "geprägt von bitterer Einsicht und sprachlichem Sinnreichtum, das chinesischer Romankunst und Dramatik neue Wege eröffnet hat."
Als vielgestaltiger und produktiver Künstler war er von Anfang an Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Poet, Maler und gleichzeitig Produzent. Bis 1978 arbeitete er mit Ölfarbe. Seitdem verwendet er ausschließlich Tusche.