1921
Frans Krajcberg wird in in Kozienice (Polen) als Sohn einer jüdischen Einzelhandelsfamilie geboren. Er ist das dritte von fünf Kindern. Seine Mutter, Bina Krajcberg, ist Nationalverantwortliche der polnischen Kommunistenpartei und wird häufig inhaftiert. Er verbringt einen Teil seiner Kindheit bei seinem Onkel. Mit 13 Jahren schließt er sich der Kommunistenjugend an.
1939-1945
Am Tage der Kriegserklärung wird seine Mutter im Gefängnis von Ramdam in der Nähe von Warschau erhängt. Er geht zurück nach Kozienice, ohne eine Spur von seiner Familie zu finden. Er wird in einer Kirche gefangen gehalten, flieht mit anderen Polen und schließt sich der Roten Armee an. In Vilnius lernt er Anilewich kennen, der den Aufstand des Warschauer Ghettos anführt. Aufgrund einer Krankheit wird er in Minsk im Krankenhaus aufgenommen und beginnt während seiner Genesung mit der Malerei. In Leningrad meldet er sich an der Hochschule für Schöne Künste an und studiert gleichzeitig Ingenieurwissenschaften. Er lernt Natacha kennen, seine erste große Liebe, die vor seinen Augen auf der Straße von Minsk stirbt, als sie im Wald Schutz vor den Bombenangriffen suchen. 1941 greift das Reich die UdSSR an. Er wird in die 1. Polnische Armee aufgenommen und nach Tachkent in Mittelasien geschickt. Er arbeitet als technischer Prüfer an den Staudämmen von Usbekistan. 1943 schließt er sich der 2. Polnischen Armee als Offizier an, wo er dem Brückenbau zugeteilt wird. Er wird zum Pontonier des Marschalls Schukow und betritt als erster Soldat das befreite Warschau.
1945-1946
Seine Familie ist im Holocaust ums Leben gekommen. Er wirft die beiden Medaillen, die ihm Stalin verliehen hat, über die tschechische Grenze. In Stuttgart angekommen, versucht er ein letztes Mal vergeblich, Überlebende seiner Familie zu finden, und studiert hier mit Willi Baumeister, der am Bauhaus unterrichtet hatte, Schöne Künste.
1947
Paris zieht ihn an. Mit einer Empfehlung von Baumeister begegnet er hier Marc Chagall bei Fernand Léger, bei dem er drei Monate unterkommt, und organisiert seinen Aufbruch nach Brasilien. Er geht zusammen mit einer jungen Ungarin an Bord, die sich als seine Verlobte ausgibt, ihn aber gleich nach der Landung verlässt. In Rio hat er nichts zum Leben und schläft am Strand von Botafogo.
1948-51
In Sao Paulo hat Francisco Matarazzo das Museum für moderne Kunst eröffnet. Bei seiner Arbeit als Lagerverwalter begegnet er häufig „autodidaktischen Malern“ der Família Artística Paulista: Mario Zanini, Volpi und Cordeiro… Er leitet den Aufhänger der ersten Biennale, die Max Bill hervorhebt, den Vorreiter des brasilianischen Konkretismus. Für die Malerei isoliert er sich in Itanhaém, einem Dorf an der Küste, im Haus von Mario Zanini, der ihn hier regelmäßig mit Volpi aufsucht. Seine Werke werden im Museum für moderne Kunst ausgestellt, aber er verkauft nichts.
1952-1956
In Porto Alegre im brasilianischen Bundesstaat Paraná kommt er zum ersten Mal mit der brasilianischen Natur in Berührung. Er ist angestellt, um die Kontrolle des Forstschutzes zu sichern. Er isoliert sich im Wald, um zu malen, und gestaltet Kunsthandwerksgegenstände: Töpferarbeiten, Azulejos, kleine Statuen, Stillleben und Pflanzenmalereien. 1955 kann er es nicht mehr ertragen, die Wälder von Paraná brennen zu sehen. Sein eigenes Haus im Wald fällt einem Brand zum Opfer. Er geht zurück nach Rio, wo er ein Atelier mit Franz Weissmann teilt, und malt Samanbaias, Erinnerungen an Paraná. Zusammen mit Milton da Costa und Maria Leontina stellt er in der Kleinen Galerie aus.
1957
In Sao Paulo hebt die Biennale Pollock hervor. Krajcberg erhält den Preis des besten brasilianischen Malers. Plötzlich ist er berühmt, verkauft seine Bilder und kehrt nach Paris zurück. Von nun an pendelt er zwischen Frankreich und Brasilien.
1958
Er erhält die brasilianische Staatsbürgerschaft, aber die brasilianische Kritik bleibt ihm gegenüber hart. In Brasilien gestaltet er seine ersten Skulpturen im Staat Minas Gerais. In Paris stürzt er sich eifrig in die intellektuelle und künstlerische Diskussion der 50-er Jahre: Algerienkrieg, Krise der École de Paris und Polemik der Abstraktion. Da ihn die Farbe vergiftet, hört er mit der Malerei auf und macht Collagen und Xylogravuren auf japanischem Papier. Er realisiert seine ersten „direkten Holzabdrücke“ mit der Papiergusstechnik.
1959
In Ibiza beginnt er, die Natur zu fotografieren. Er macht seine ersten „Abdrücke von Felsen und Böden“ und Bilder mit Naturelementen. Er lernt den Kritiker Pierre Restany kennen, der La nature est son atelier schreibt. Direkte Abdrücke, Assemblagen oder perspektivische Bearbeitungen… Er ist ein randständiger Vorreiter der Arte Povera und der Land Art. Zum ersten Mal reist er nach Amazonien.
1960-1961
Zurück in Paris, stellt er seine Arbeiten in der Galerie du XXème siècle aus und lernt Michèle kennen, mit der er vier Jahre zusammenlebt. Dubuffet, den er bewundert, schätzt seine Arbeiten. Er wird zum Freund von Braque. Sie arbeiten an zwei Lithographien zusammen. Er verkehrt häufig mit der Avantgarde der Künstlerbewegung Nouveau Réalisme, interessiert sich für die Op-Art und die kinetische Kunst. Als er zum Ehrenbürger von Rio de Janeiro ernannt wird und den Schlüssel übergeben bekommt, lädt ihn San Lazzaro, der die Galerie und die Revue du XXème siècle leitet, zu seiner Ausstellung Reliefs ein. Mit dem Fotoreporter Roger Pic, der in der Allée du Montparnasse wohnt, verbindet ihn ein freundschaftliches Verhältnis. Er unternimmt seine zweite Reise nach Amazonien.
1964
Seine „Bilder aus Böden und Steinen“ werden bei der Biennale von Venedig hervorgehoben. Aufgrund einer Einladung des Bundesstaats Minas Gerais kehrt er nach Brasilien zurück und zieht nach Cata Branca. Die Eisenerzfelder liefern ihm reine Pigmente. Er realisiert seine ersten Skulpturen und Makroaufnahmen, bei denen eine Mischung aus Erde und Leim auf Papier gebracht, in der Sonne getrocknet und dann neu gestaltet wird.
1965-1966
Zanini berichtet ihm von Nova Viçosa, wo sich Künstler und Intellektuelle wie der Architekt Niemeyer und der Sänger Chico Buarque de Hollanda bei einem fachübergreifenden Projekt zusammenfinden. Der Wald und die Küste haben ihn verzaubert; er baut sein erstes Atelier nach den Plänen von Zanini und richtet sich hier ein.
1967-1970
Er bringt seine Vision von Minas mit nach Paris, gibt seine Steinbilder auf und beginnt mit seinen Schattenschnitten, eine Assemblage gefärbter Naturhölzer (Lianen oder Wurzeln von Mangrovenbäumen), auf denen das Licht spielt. Er heiratet Alba, eine junge Brasilianerin aus dem brasilianischen Bundesstaat Bahia, Tochter reicher Ärzte aus Salvador. Sie ist Studentin für Kunstgeschichte und schreibt eine Doktorarbeit über Kandinsky. Drei Jahre später trennt sich das Paar.
1972-1974
In Nova Viçosa realisiert er seine ersten „polierten Hölzer“, Assemblagen aus toten Hölzern, deren architektonische Linien er herausstellt: hohle Bäume oder Mangrovenbäume, vom Licht verzehrt. Er zeichnet sein Haus in den Baum, neben einer Skulptur Mémoire à la Destruction. Er fotografiert seine Skulpturen im Sand, gegenüber dem Ozean, um Licht und Schatten einzufangen. Die „Sandabdrücke“, Abdrücke, die bei Ebbe direkt am Strand gemacht werden, werden zu Prägungen aus weißem Papier, die mit natürlichen Pigmenten umgearbeitet werden. Zusammen mit Pierre Restany reist er durch die Bundesstaaten Minas Gerais und Piauí.
1975:
In Paris bestärken ihn die Diskussionen, die durch seine Ausstellung im Centre national d’Art Moderne Georges Pompidou, damals als Entwurfsmuseum, ausgelöst werden, in seinem Willen, die bedrohte Natur zu schützen. Es ist die erste Ausstellung, die unter dem Namen des Centre Pompidou veranstaltet wird. Das zukünftige Gebäude befindet sich noch im Bau. Er lernt Claude Mollar kennen, seinerzeit Generalsekretär des Centre Pompidou.
1976-1978
Er bricht nach Mato Grosso in Amazonien auf, zusammen mit Sepp Baendereck, den er im Jahr zuvor kennengelernt hat. Sie teilen ihre Leidenschaft für den Naturschutz und bleiben aus diesem Grund bis zum Tode von Baendereck im Jahr 1989 verbunden. Gemeinsam unternehmen sie drei Expeditionen nach Amazonien (1976-77-78) und drei Reisen nach Mato Grosso (1985-86-87). 1978 fährt Pierre Restany zusammen mit ihnen den Rio Negro hinauf. Auf der Reise verfasst er das Manifeste du Naturalisme Intégral oder Manifeste du Rio Negro, in dem er seine eigene Vision der Kunst gegenüber der „alternativen“ Ästhetik von Krajcberg erkundet. Er dreht seinerseits einen Film, der bei den Diskussionen in Rio, São Paulo und Brasília bei der Einführung des Manifests ausgestrahlt wird, der die Polemik ins Rollen bringt.
1979-1984
Er lebt in Nova Viçosa und beginnt er mit seinen mehrfarbigen Pflanzenabdrücken. Er gibt die „Schattenschnitte“ auf, um monumentale „Korbflechtereien“ zu gestalten, die sich am lokalen Kunsthandwerk inspirieren. Er sammelt Elemente der Natur, um ihnen wieder Leben zu schenken.
1985-1987
In Mato Grosso macht er eine lange Fotoreportage über die Brände der „Queimadas“-Wälder, die Großgrundbesitzer vornehmen, um das Land urbar zu machen. Er bringt vertrocknete Palmen mit, aus denen er mehrere Skulpturengruppen anfertigt, seine „conjuntos“, Regenmacher oder Totems, die er in Wäldern sammelt. Er veröffentlicht seinen Bildband Natura. Er beginnt mit seinen „verbrannten Hölzern“.
1988-1995:
In Seoul nimmt er mit Images de mes Révoltes am Umweltsymposium teil. Seine „verbrannten Hölzer“ sind Stelen, Alarmsirenen. In Rumänien nimmt er mit anderen Künstlern an der Bewegung „Ärzte ohne Grenzen“ teil. In Moskau wird er zum Internationalen Umweltkongress eingeladen. Seit seinem Studium für Schöne Künste in Leningrad ist dies das erste Mal, dass er nach Russland zurückkehrt. Seine „verbrannten Baumrinden“, unterstrichen durch verschiedene Stoffe, erinnern an seine „verbrannten Hölzer“. In Rio stellt er im Museum für moderne Kunst Imagens do Fogo im Rahmen der internationalen UN-Umweltkonferenz „Eco 92“ aus. In Rio Branco fotografiert er im Staat Acre den verwüsteten Wald und sammelt vereinzelte Elemente, die ihm für seine Skulpturen dienen werden. Er versucht, die Landwirte zu überzeugen, die Vernichtung der Bäume abzulehnen. Er wird bedroht und lässt wiederholt um ein Haar sein Leben. Die Stadtverwaltung von Curitiba und die Regierung von Paraná widmen ihm einen Bereich und errichten einen Monolithen mit seinem Namen. Er begegnet dem „Primus“-Indianer Raoni und engagiert sich für die Verteidigung der Anliegen der Indianer in Amazonien.
1996
Die Ausstellung Villette-Amazone in Paris in der Grande Halle de la Villette, ein regelrechtes Manifest für die Umwelt unter der Leitung von Jacques Leenhardt und Bettina Laville, präsentiert mehrere seiner Werke.
1997-2003
Er hilft seinem Freund Roger Pic bei der Rettung der Passage du Montparnasse, einem Ort der Erinnerung für viele Künstler des 20. Jahrhunderts. Er überzeugt ihn, der Stadt Paris einige seiner Werke zu schenken. Roger Pic stirbt 2001. Pierre Restany, der zum Vizepräsidenten des Vereins des Musée du Montparnasse geworden ist, welches die Besitznehmer der Passage vereint, stirbt 2003. Die Ausstellung Art et Révolte im neuen Musée du Montparnasse würdigt seine Werke. Mehrere Orte, die seinen Namen tragen, werden eingeweiht. Er schenkt der Stadt Paris Skulpturen. Sie werden nun in einer ehemaligen Galerie ausgestellt, die den Namen Espace Krajcberg erhält. Sie ist wenige Meter von seinem eigenen Atelier entfernt und ein bevorzugter Ort, den er mit seinem 10 Hektar großen Wald in Nova Viçosa teilt. In Curitiba im Staat Paraná wird im botanischen Garten ein Museum mit seinem Namen eröffnet. In Nova Viçosa setzt er sich beim Bau von Gebäuden ein, in der seine Stiftung „Art et Nature“ unterkommen kann, und veröffentlicht die zweite Auflage seines Buches Nature et Révolte.
2005-2007
In Paris findet das Brasilien-Jahr in Frankreich statt. Die Stadt Paris organisiert eine große Ausstellung im Parc de Bagatelle, den sie vor einhundert Jahren erworben hat; ein Jahrestag, den sie feiert. Dialogues avec la Nature huldigt den Künstler und Militanten. Französisch-brasilianische Diskussionen über die Rolle der Wälder in Städten und deren Randgebieten finden statt. Paris, Rio und São Paulo nehmen aktiv daran teil. Für ihn ist es die Gelegenheit, seinen Cri pour la Planète, seinen Schrei für den Planeten, auszustoßen. Eine Bronze-Skulptur wird auf dem Place de la Vache Noire in Arcueil aufgestellt. Sein Werk ist in der Botschaft Brasiliens, in der Ausstellung Entre Deux Lumières – artistes brésiliens en France, zu sehen.
2008-2012
Bahia verleiht ihm den Titel des „Bürgers des Staates Bahia“. Er veröffentlicht seinen Bildband Queimadas über die Abholzung, mit Unterstützung der Regierung. Er ist auf der Ausstellung O Grito – Ano Mundial da árvore im Palacete Das Artes Rodin präsent. In São Paulo stellt er im Parc Ibirapuera aus, erhält den Preis der Besten Ausstellung des Jahres vom Verein der Kunstkritiker und den Titel des „Bürgers von São Paolo“. In Gifu in Japan wird ihm der Preis Enku für Bildhauerei verliehen. In João Pessoa ist sein Werk in Natureza Extrema zur Einweihung des Museums Estação Cabo Branco präsent. In Paris erhält er die Médaille de Vermeil der Stadt Paris für seine gesamten Werke.
2016
Er wird als Ehrenkünstler zur 32. Biennale von São Paulo eingeladen.
2016-2017
In Paris stellt das Musée de l’Homme seine Werke auf einem Künstlerparcours aus, der alle kürzlich neu konfigurierten permanenten Ausstellungsräume durchkreuzt. Es finden Begegnungen und Diskussionen zu seinen Werken statt. Der Bereich Krajcberg birgt Ausführungen und die Arbeiten von Forschern des Musée de l’Homme.