Historischer Park
14. Nathalie Nery
“Est-ce que si un arbre peignait...”
published at 13/02/2018
"… Das Projekt „Est-ce que si un arbre peignait...“ (Würde ein Baum malen …) verhält sich wie eine Person, die mit dem Schloss und dessen Umgebung eine Art Darstellung dieses subjektiven Mythos aufbaut (…)."
„Meine erste Inspiration ist das Unterbewusstsein. Um menschlich zu werden, muss das Wesen einen gewundenen (und kontinuierlichen) Pfad durchlaufen, in einem labyrinthartigen Spiel, mysteriös und spiegelnd, wo Kulisse und Personen miteinander verschmelzen. Wald und Schloss, unmenschliche Kreaturen, Versteinerungen und Zauber. Das Wesen ist ein Raum. Seiltanz-Inszenierung auf dem Seil, wobei das Innere und das Äußere, Natur und Fiktion, materialisiert werden. Die Abwege der Verwandlungen, das ist der Mythos, der gesponnen werden und vor allem von jedem von uns zerrissen werden soll.
Das Projekt „Est-ce que si un arbre peignait...“ (Würde ein Baum malen …) verhält sich wie eine Person, die mit dem Schloss und dessen Umgebung eine Art Darstellung dieses subjektiven Mythos aufbaut. Eine Darstellung, die dem eigenen Konstruktionsprozess einen Körper schenkt. Dieser beginnt vor der Eröffnung der Ausstellung und endet, wenn es die Natur bestimmt. Der vorgegebene Weg, von der Handlung des Laufens, des Sammelns von Blättern und des wieder Zurückgebens an den Baum an, stellt als Ganzes eine Art Materialisierung der Zeit und Verzeitlichung des Raums dar und ist von enormer symbolischer Stärke.
Die Bewegung der Blätter in Raum und Zeit beunruhigt vorübergehend unsere Wahrnehmung der Realität. Laut Freud ist das Fremde normalerweise etwas Bekanntes, das sich jedoch verdrängt, im Unterbewusstsein befindet. „Est-ce que si un arbre peignait...“ ist ein Wesen, das sich uns auf verführerische und fragende Weise vorstellt, aus seinen Ablehnungen besteht und uns lautlos anschaut, wobei es uns etwas über Leben und Tod und über die Art sagt, wie die Kunst diesem aus dem Weg gehen kann.
Das Projekt stellt auch eine mimetische Arbeit zur Schau. Die Mimesis nicht als Strategie zum körperlichen Überleben, sondern zum imaginären Überleben. Es gibt eine Umkehrung des symbolischen Kerns der Wesen / Objekte. Blätter ahmen den Baum nach, der wiederum ein anderes Wesen nachahmt. Ein Teil oder alles, das zusammenläuft und gleichzeitig ihre Rollen in einer rein wollüstigen Handlung vertauscht. Es ist eine Frage der Verführung durch das Bild, der Auflösung des Wesens und des Raums. Eine Person, die das reine Werden ist.“
Laut den Worten von Lacan: „Die Mimesis ist zweifellos das Äquivalent der Funktion, die sich beim Menschen über die Malerei ausbildet. […] Würde ein Vogel, der malte, nicht einfach seine Federn lassen; eine Schlange ihre Schuppen, würde ein Baum sich nicht seiner Blätter entledigen, die zu Boden regneten? […] Wenn es sich nach außen öffnet, verliert des Objekt etwas, von seinem Körper fallen Objekte ab, Abstoßungen, die eine Art Materialisierung seiner eigenen Dezentrierung sind.“
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Nathalie NERY
BRASILIEN
Nathalie Nery au Domaine de Chaumont-sur-Loire, 2018 - © Éric Sander
Nathalie Nery wurde 1965 in Rio de Janeiro in Brasilien geboren, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Sie besitzt eine zweigleisige Ausbildung.
Als diplomierte Psychologin der Päpstlichen Katholischen Universität von Rio de Janeiro (1988) hat sie sich immer auf die klinische Arbeit mit Patienten mit einer Psychose oder ernsten psychischen Störungen konzentriert, in oder außerhalb von psychiatrischen Kliniken.
Das Jahr 1990 verbrachte sie als Praktikantin an psychiatrischen Krankenhäusern in Frankreich, unter anderem La Borde und La Chesnaie, die sich beide im Loiretal befinden, wo sie das Glück hatte, Vorträgen von Jean Oury beizuwohnen und zusammen mit Felix Guattari zu beaufsichtigen.
1993 absolvierte sie ein Aufbaustudium in der psychoanalytisch orientierten Klinik an derselben Universität, wo sie in Rio de Janeiro studiert und ihr Diplom erhalten hatte.
Von 1995 bis 2000 besuchte sie die Schule für visuelle Künste von Parque Lage, ihre Berater waren bedeutende Namen der brasilianischen Kunst wie Ana Maria Maiolino und Nelson Leirner. Design und Malerei haben nach und nach der Bildhauerei und der Installation Platz gemacht.
Von 1998 bis 2001 nahm sie an mehreren Ausstellungen teil, erhielt Preise und wurde von einer bedeutenden Galerie in São Paulo vertreten, der Galerie Nara Roesler.
Von 2002 bis 2015 hat sie sich beruflich von der Kunst entfernt.
2016 nahm sie ihre Karriere wieder auf, indem sie Konzepte aus der Psychoanalyse und der Philosophie aufgriff.