J. Fabien Mérelle
"L’arbre au corps"
„Realismusbesessen, bedacht auf diese bodenlosen Details und extrem penibel hatte ich das spielerische Zeichnen verlernt. Das Zeichnen, mit dem man sich einfach nur die Zeit vertrieb und seinem inneren Antrieb folgte. Das Zeichnen, das mit ein paar Filzstiftstrichen sagte, was wir als Sechsjährige noch nicht mit Worten zum Ausdruck bringen konnten. Ich habe versucht, die durch die Zeit unterbrochene Linie wieder aufzunehmen, ohne sie zu beschmutzen, und den guten Willen des Kindes, das ich war, wieder hervorzuholen. Ich wollte, dass sich Stimmen und Schriften, hoch oder tief, zart oder polternd, mischen. Ich suchte in diesen bunten Relikten nach vielsagenden Leerräumen und fand darin Stille, die nach Fragen gierte. Ich wollte keine Konfrontation, kein Vorher/Nachher. Einen vorgetäuscht kindlichen Stil einzusetzen, wäre genauso fruchtlos gewesen. Ich träumte von einem Kommen und Gehen, von einer gezeichneten Konversation. Nach der Kindheit zu greifen bedeutete, die Büchse der Pandora mit Beklommenheitsgefühlen und Urängsten zu öffnen, es bedeutete, ganz tief in eine Mythologie abzutauchen, die man sich in der Dunkelheit eines Zimmers beim Einschlafen ausmalte. Eine Mythologie, die man versuchte, unter der Behaarung und der Maske der Pubertät und Sonstigem zu verbergen. Da sie jedoch nicht verschwunden ist, hat sie in meine Zeichnungen Einzug gehalten, die seither zum Schauplatz von Konflikten und Wünschen geworden sind, zügellos, nun da das Reelle bezähmt ist.” Fabien Mérelle
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Fabien Mérelle wurde 1981 in Fontenay-aux-Roses bei Paris geboren. Er lebt und arbeitet in Tours und in Paris. 2005 erhält er ein Stipendium, um an der Kunstakademie von Xi‘an in China zu studieren. Er ist bereits ein begeisterter Zeichner und kann bei dieser Reise seine Kenntnisse der Arbeit mit Tusche vertiefen.
2006 schließt er sein Studium an der Kunsthochschule in Paris erfolgreich ab. 2007 wird er Mitglied der Casa Velasquez in Madrid, wo er ein Jahr verweilt. Im Jahr 2008 hat er seine erste Einzelausstellung in der Galerie Premier Regard in Paris. 2010 ist er der erste Preisträger des Prix Canson. Dank der Donation Guerlain wird er 2012 in die Sammlungen des Centre Pompidou aufgenommen.
Seine mit schwarzer Tinte und Aquarell gezeichneten Werke finden ihren Sinn und ihre Inspiration in einer zugleich grausamen, ironischen und sanften Inszenierung seines Alltagslebens, seines Umfeldes. Seine Zeichnungen sind die misslichen Abenteuer einer einzigen, gleichbleibenden Figur, die immer in einem blau gestreiften Pyjama oder einem weißen T-Shirt steckt.
Fabien Mérelle projiziert seinen Körper in diese Welt, in der sich alles mischt, Tierisches, Pflanzliches, Mineralisches. Eine Welt, in der sich Rinde in die Haut frisst, in der Mensch und Tier auf einer Stufe stehen. Eine Welt, in der weder Schwerkraft herrscht noch Anstand oder Tabus. Er komponiert mit dem Weiß des Papiers, das sehr präsent ist. Aus diesen leeren Hintergründen treten detaillierte Szenen zutage, das Blatt dient als Sammelbecken für Gedanken, Wünsche und Ängste des Künstlers. Auf realistische Art bringt er das Unwahrscheinliche zu Papier, er kehrt den Szenenaufbau um und schafft eine andere Realität, in der sich griechische Mythen mit altem Glauben mischen.
Seine Zeichenkunst folgt seinem Leben und erzählt von den Lebenslagen eines Mannes, der liebt, der Angst hat, der Vater wird. Er nimmt alles in sich auf, Werke von Künstlern, die er bewundert, Bilder, die er zufallsbedingt zusammenträgt, Wörter, die ihm keine Ruhe lassen. Es sind gezeichnete Haikus, grafisch dargestellte Worte.
Seine Arbeit ging um die Welt. Nach Hongkong, wo er 2012 auf dem Statue Square eine 5 Meter hohe Monumentalskulptur präsentierte, die aus einer seiner Zeichnungen hervorging. Nach New York, 2015, ins Drawing Centre. Nach Melbourne, im Rahmen einer Ausstellung zum 500. Jahrestag der Melancholie von Albrecht Dürer. Nach Madrid, Genf, Brüssel, Istanbul, Jakarta, Seoul, Singapur, Taiwan und Peking.
In Paris wird er von der Galerie Praz Delavallade präsentiert, in Hongkong von Édouard Malingue, in Madrid von Michel Soskine, in Genf von der Wilde Gallery Geneva und in Antwerpen von der Keteleer Gallery