07. La sève à la croisée des chemins
Grüne Karte vergeben an Ernesto Neto und Daisy Cabral Nogueira
published at 03/11/2017
„Der Garten ist ein Ort, an dem wir uns begegnen, ein Ort, an dem wir unsere Ideen austauschen. Ein ethischer Kreuzweg, ein Kreuzweg der Schicksale.
Der Entwurf eines Gartens ist eine Möglichkeit, über Farben, Düfte, Jahreszeiten, die Beziehung zum Lebendigen, über Raum und Zeit, vor allem aber über einen Ort zum Verweilen, zum Bewegen, einen Ort zum Sein nachzudenken. Hier befinden wir uns im Inneren des Grundrisses einer Blüte. Wir haben beschlossen, die Staubblätter der Blüte zu nutzen und mit den Alleen eine gewisse Fülle zu schaffen, um die Schritte des Besuchers zu lenken.
Da es die Kontrolle über die Art und Weise des Spaziergangs hat, handelt es sich hier um ein klassisches Thema über Gärten, um eine Darstellung der Kontrolle über unser Leben durch die Jahreszeiten, aber auch durch die Macht von Politik und Wirtschaft. Wenn wir über die Gärten der Zukunft sprechen, können wir den Gedanken an die Lebensfähigkeit jenseits von Verseuchung und Erderwärmung nicht verdrängen: wir alle brauchen Nahrung, und unsere Nahrung kommt von Gemüse.
Um über die Zukunft der vom Menschen ausgebeuteten Erde zu sprechen, zu einer Zeit, in der sich jeder Gedanken über die Gesundheit des Planeten macht, haben wir beschlossen, die Zeit um Millionen von Jahren zurückzudrehen, als die meisten Flächen in der Pangäa vereint waren, und uns auch daran zu erinnern, wie minimal die geologische Zeit für menschliche Maßstäbe ist. So könnten wir die gesamte Erde auf einer Seite der Scheibe darstellen. Diese Metallscheibe würde die Macht eines Geldstückes darstellen, das zum Stil, zum Stigma, zum Stern würde, während die Menge des Zuckerrohrs die Staubgefässe darstellen würde, die architektonischen Körper, die an die Alleen und Kreuzwege heranführen.
Zuckerrohr wurde weltweit am meisten produziert. Riesige Plantagen wurden auf dem neuen amerikanischen Kontinent entwickelt. Die Sklavenwirtschaft hat der wachsenden europäischen Bevölkerung Kraft und Süße gebracht. Viele Jahre lang hat diese Wirtschaft das soziale und wirtschaftliche Drama nicht berücksichtigt, das sie für die Sklaven und die aus ihr resultierenden Monokultur darstellte.
Heute können wir aus Zuckerrohrsaft Äthanol erzeugen und eine andere Art von Energie für Maschinen bereitstellen, während dem Planeten Erdöl und Kohle ausgehen. Da die Verbrennung von Kohlenstoff zur Umweltverschmutzung führt, wäre Äthanol eine „grüne“ Lösung, aber seine Herstellung bedarf großer Landflächen, die wiederum zur Erzeugung unserer Nahrung gebraucht werden.
Mit dem Saft aus Zuckerrohr können wir erzeugen: Zuckerrohrsaft, Zucker, Rum, Cachaça, Alkohol und Äthanol. Es ist unsere Zeit, unsere Entscheidung.
Die Zuckerrohrplantagen stellen in unserer modernen Welt etwas anderes dar, wie riesige Plantagen für Sojabohnen und Weideland. Es ist unsere Zeit, unsere Wahl am Scheideweg.“ Ernesto und Daisy
gestaltung
Ernesto NETO, zeitgenössischer Künstler und Daisy CABRAL NOGUEIRA, Landschaftsgestalterin
BRAZIL
Ernesto Neto stellt seit 1988 in Brasilien und seit 1995 in Einzelausstellungen auch in anderen Ländern aus. Zusammen mit Vik Muniz präsentierte er sein Land bei der Biennale di Venezia, der Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Venedig, 2001. Seine Installationen wurden sowohl im Pavillon von Brasilien als auch im Rahme der internationalen Gruppenausstellung des Arsenals von Venedig gezeigt.
Das Werk von Neto wurde als “jenseits des abstrakten Minimalismus” beschrieben. Seine Installationen sind umfangreiche Skulpturen, weich und biomorph, halb körperlich, halb architektonisch, die den Ausstellungsraum ausfüllen; die Besucher können sie anfassen, sich gegen sie lehnen und manchmal sogar über oder durch sie gehen. Sie bestehen aus weißem Polyamid, das sich wie eine Strumpfhose ziehen lässt. Um das Volumen dieser amorphen Gebilde im Raum zu fixieren, hängt der Künstler sie im Zimmer auf, füllt sie mit Pastillen aus expandiertem Polystyrol oder manchmal auch aus Duftgewürzen. Bei einigen Installationen hat er dieses Material auch für lichtdurchlässige Paravents verwendet, die die Wände und den Boden des Ausstellungsbereichs verwandeln. Seine Skulpturen können als eine Ausdrucksform der traditionellen abstrakten Kunst betrachtet werden, wobei ihnen ihre Interaktion mit dem Besucher eine weitere Interpretationsebene gibt. Eine seiner Installationen, die am meisten bewundert werden, ist die, die er 2006 unter dem Titel “Léviathan Thot” im Panthéon in Paris im Rahmen des Herbstfestivals erstellt hatte (öffentlicher Auftrag des französischen Kulturministeriums).
Vom 22. September bis zum 21. Dezember 2010 schufen Ernesto Neto und Daisy Cabral Nogueira im Park von Ibirapuera in São Paulo, Brasilien, einen Garten. In Verlängerung des französischen Jahres in Brasilien und auf Initiative des Museu de arte moderna de São Paulo haben sie so an einer völlig neuen Festivalausgabe des internationalen Gartenfestivals von Chaumont-sur-Loire, zum ersten Mal außerhalb Frankreichs, teilgenommen. Das Motto dieser Festivalausgabe war die Nahrung von Körper und Geist.