„Alles beginnt mit einer Projektion zum Licht. In der Videoarbeit Towards the Light, aus der gewissermaßen alle folgenden Materieprojektionen hervorgegangen sind, lädt uns Evi Keller auf eine faszinierende Reise in ein Universum aus Lichtadern, organischen Atemzügen und magmatischen Blasen ein, die aus der Tiefe des Lichts und der Materie das hervorbringen, was in perfekter Synchronität unsere uterine und kosmische Welt sein (oder gewesen sein) könnte. Evi Keller bringt die ursprüngliche Erfahrung unserer ersten Existenz mit der entfernteren, intuitiveren Erfahrung des Ursprungs der Welt zusammen. Mithilfe einer zehnminütigen Bild- und Klangmeditation lässt sie die Evidenz des komplexesten Mysteriums, nämlich das Geheimnis vom Ursprung allen Lebens und aller Materie, erscheinen und verschwinden, was bedeutet, dass am Anfang alles Licht ist. (...)
Es ist der Ursprung der Welt, der Ursprung der Arbeit des Künstlers, und was bei der Betrachtung der verschiedenen Werke von Evi Keller besonders ins Auge sticht, ist ihre ontologische, ja sogar ethische Nähe zu den Unternehmungen der Künstler Caravaggio, Rembrandt, Chardin, Monet, Rothko, Soulages, Freud, die es vorzogen, jedes offensichtliche Thema aus dem Bild zu entfernen, um die Suche nach der Lichtmaterie selbst zum Gegenstand ihrer Suche und damit zum eigentlichen Thema des Werks zu machen, indem sie nahelegen, dass damit die Essenz berührt wird. (...) Wir befinden uns hier tief in der Geschichte, die vom ersten Magma bis zu den eindringlichsten Motiven der Natur reicht, insbesondere die zahlreichen Darstellungen von bebenden Bäumen, die Himmel und Erde in einer wesentlichen Vertikalität verbinden, deren Spiegelungen im Wasser die Ganzheit ebenso unterstreichen wie sie sie schwächen und so jeglicher mystischen Gewissheit entgegenwirken.“ Frédéric Ogée, Ausstellung Matière-Lumière, Evi Keller, Galerie Jeanne Bucher Jaeger, 2015
„Die Beobachtung des Zusammenspiels der beiden Urgewalten Wasser und Feuer bewohnt und belebt seit vielen Jahren mein gesamtes Schaffen. Dank meiner jahrelangen Auseinandersetzung mit zugefrorenen Seen im Wandel, die ich fotografiert habe, konnte ich das Video Towards the Light- silent transformations drehen, das in diesem Sinne für mich ein Schlüsselerlebnis darstellte.
Die Übergänge der Phasen des Wassers ... also die Veränderungen seines Zustands – Eis, Flüssigkeit, Dampf – haben mir einen universellen Umwandlungsprozess bewusst gemacht, der sich in unserem tiefsten Inneren, am entferntesten Punkt von uns, in unendlich kleinen und unendlich großen Dimensionen manifestiert. Dies ist der Moment eines magischen Übergangs der Materie, die eine erhabene Welt in den Spiegelungen des Lichts erscheinen lässt. Von tiefem inneren Frieden erfüllt, spürte ich, dass das Universum in uns auf subtiler Ebene das Äquivalent von allem, was wir außerhalb von uns finden können, angelegt hat und dass es von entscheidender Bedeutung ist, sich mit diesen Veränderungen im Rad des Lebens zu verbinden. Diese Erkenntnis eines Wandlungsprozesses, der in unserem tiefsten Inneren widerhallt, führte mich ganz natürlich zur Erschaffung von Matière-Lumière. Das Video Towards the light - silent transformations und die Fotostrecke zeugen von dieser nahezu mystischen Offenbarung, einem Wachtraum. Sie sind die Matrix und die eigentliche Wiege meines Schaffens, das Prinzip der Hoffnung einer Menschheit, die sich der Macht des Lichts bewusst wird, und das auf jeder Ebene. So könnten einige Sequenzen des Videos die Metapher einer brennenden, verhüllten Sonne beschwören, die sich regeneriert, wiedergeboren wird und sich zu einer wahren Sonne ausdehnt, und auch eine ökologische Dimension vermitteln, die Dimension eines kollektiven Bewusstseins, einer Vision einer respektvolleren Menschheit, die aufhört, fossile Ressourcen zu verbrauchen und die Weisheit besitzt, die Ur-Energie der lebendigen Sonne zu nutzen.“ Auszug aus einem Interview mit Evi Keller, 2021
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Evi KELLER
DEUTSCHLAND
Evi Keller wird 1968 in Bad Kissingen geboren. In den 1990er Jahren studiert sie Kunstgeschichte, Fotografie und Grafikdesign in München, bevor sie nach Paris geht, wo sie als Fotografin arbeitet. Im Jahr 2000 gründet sie ihr eigenes Atelier. 2001 beginnt sie mit dem Installationszyklus The World In Between.
Im folgenden Jahr ist eine Matière-Lumière Installation in der CENTRALE for contemporary art in Brüssel zu sehen. Im Rahmen der Ausstellung ihrer Werke im Musée des Arts Décoratifs wird der Vortrag „Die Materie jenseits des Sichtbaren um Jean Dubuffet und Evi Keller“ gehalten.
2017 wählte die Philosophin und Kuratorin Joke Hermsen zentrale Werke von Evi Keller für die Ausstellung Château Kairos im Schloss Gaasbeek in Belgien aus, zusammen mit Georgia Russell, Anri Sala, Hans Op de Beeck, Pipilotti Rist, Chiharu Shiota, Otobong Nkanga und Antony Gormley. Die Künstlerin ist auch Teil der Ausstellung Passion de l’art. Galerie Jeanne Bucher Jaeger, depuis 1925 im Musée Granet in Aix-en-Provence, unter anderem neben Paul Klee, Wassily Kandinsky, Alberto Giacometti, Max Ernst, Nicolas de Staël, Mark Tobey und Jean Dubuffet.
Seit einigen Jahren arbeitet die Künstlerin auch regelmäßig mit zeitgenössischen Tänzern und Musikern zusammen. Im Laufe des Jahres 2018 beschließt Evi Keller, sich ganz der Schaffung einer monumentalen Installation, Performance/Matière/Lumière, zu widmen (die im Rahmen der Nuit Blanche 2019 in der Kirche Saint-Eustache zu sehen ist). In einem Initiationsritual empfängt die Künstlerin den Betrachter inmitten der intimen und persönlichen Erfahrung der vielgestaltigen Visionen der Transmutation der Materie durch das Licht.
Evi Keller wird von der Galerie Jeanne Bucher Jaeger, Paris, vertreten.