25. Pablo Reinoso
"Banc délirant"

Pablo Reinoso arbeitet in Serien, die er durchläuft, auseinandernimmt, durchstöbert und dabei unterschiedliche Universen und Materialien erkundet. Wie vielleicht alle Serien sind diejenigen von Pablo Reinoso nicht geschlossen, sondern stets offen und zeigen somit die unentwegte Work in Progress, die seiner Art des Denkens entspricht.
Nachdem er aus sog. edlen Materialien so kohärente und starke Serien wie die Articulations (1970-1980), die Paysages d’eau (Wasserlandschaften) (1981-1986) oder Descubrimiento de América (die Entdeckung Amerikas) (1986-1980), löst er sich von ihnen, um sich an andere Wege zu wagen und beginnt eine Serie mit Breathing Sculptures (atmende Skulpturen) (1995-2002) aus Stoff und Luft. Er spielt darin mit der Vergänglichkeit der Existenz, deutet den Körper, das ständige Pulsieren, das Leben und den Tod an, indem er sich den architektonischen Raum zwischen Installation und Minimalismus aneignet.
In Ashes to ashes (2002, Casa de Américas, Madrid), setzt der reifer gewordene Pablo Reinoso sein Nachdenken über die Zeit, die Zerbrechlichkeit von Gewissheiten, das Vergängliche der etablierten Ordnung fort und beginnt in einer Arbeit mit Holzlatten, die er verdreht und aufspaltet, um sie von ihrer Funktion zu befreien. Damit führt er uns an die Frage des Verlusts heran und zeigt somit etwas von der unmöglichen und eigenen Anpassung des Menschen an seine Welt. Indem er diese Perspektive fortführt, allerdings nachdem er zwischenzeitlich eine wichtige Erfahrung in großen Unternehmen als künstlerischer Leiter und Designer gemacht hatte, wagt er sich nun (ab 2004) an eine Serie, in der er eine Ikone des Industriedesigns, den Thonet-Stuhl, in den Vordergrund stellt. Dadurch, dass er diesen funktionellen und paradigmatischen Gegenstand in den Mittelpunkt des Werks rückt, entzieht er ihm eben jene Funktion, die ihm sein Ziel und seinen Daseinsgrund gibt.
Pablo Reinoso nimmt dann als Ausgangspunkt seiner Reflexion die öffentlichen, typischen Parkbänke, die man in jeder Kultur findet und die etwas Zeitloses, keiner Mode Unterliegendes haben. Die sog. „Spaghetti-Bänke“ (ab 2006) werden immer zahlreicher und haben ihren Platz an den unterschiedlichsten Orten. Wieder erkundet er das Objekt eines Sitzes, doch dieses Mal ist es nicht das Objekt, sondern die Materie, die sich von der Funktion freimacht und ihren Weg als Holz, Baum, Pflanze fortsetzt. Er konzipiert Bänke, die wieder wachsende und kletternde Zweige werden, nachdem sie ihre Funktion als Möbel erfüllt haben. Sie dienen nicht mehr einer Funktion, sondern erhalten ihr Leben und ihre Lebensbedingung wieder zurück. Man könnte sagen, dass sich der Wunsch der Holzlatten zeigt, dass sie sich Spaß bereiten und amüsieren und dabei das tun, was man von ihnen erwartet, nämlich eine Bank zu sein, um sich schließlich frei auszudrücken, indem sie die Architektur annehmen, indem sie die Orte durchstreifen, indem sie die Löcher erkunden und indem sie ihren Launen freien Lauf lassen.
Schließlich geht Pablo Reinoso (ab 2009) in seiner Serie Scribbling Benchs nicht mehr von einer anonymen Bank oder einem legendären Stuhl, sondern von einem Material aus, einem Stahlträger. Das unerwartet Schwere, das die Architektur strukturieren soll, verdreht sich wie ein Draht, um eine Bank zu werden und leichte, transparente und kontemplative Räume zu schaffen.
Der studierte Architekt, der aber an allem interessiert und häufig Autodidakt ist, stand stets zwischen den Fachbereichen Skulptur, Foto, Architektur, Design als so viele unterschiedlichen Arten, die Welt zu sehen und mit ihr einen Dialog zu führen, als so viele Arten, zu erschaffen und Herausforderungen anzunehmen.
Als Konstante im Werk von Pablo Reinoso findet man immer seine Lust, unendlich Fragen zu stellen, indem er die Dinge unterwandert, Materialien oder Gegenstände wählt, die ihrer Verwendung entgegenstehen, die Gegensätze einander annähert und stets an der Grenze des Unmöglichen spielt. Dabei aber geht er immer unvorhergesehene und erstaunliche Wege mit einer Spur Humor und Spott, d. h. mit viel Ernsthaftigkeit und Überzeugung.
BIOGRAFISCHE ANGABEN
Pablo REINOSO
ARGENTINIEN
Pablo Reinoso, er ursprünglich Bildhauer, aber im Grunde genommen Künstler ist, übt seine Kunst seit frühester Kindheit auf unterschiedlichste Art aus. Er schafft mit 13 Jahren seine erste Skulptur und mit 15 Jahren seine erste Skulptur-Bank, doch bereits mit 6 Jahren hatte er Stühle und Bücherregale angefertigt und Wagen erfunden, um die Plaza Francia in Buenos Aires herabzufahren…
Pablo Reinoso, der eine französische Mutter hat, aber in Argentinien geboren wurde, lässt sich 1978 in Paris nieder. Die Liebe zu seinem französischem Großvater, einem gebildeten Kunstliebhaber und Bastler, facht seine Neugier auf alles, was der Mensch erfinden kann, an und veranlasst ihn, den Gebrauch der Werkzeuge des Kunstschreiners zu erlernen. Sein Lehrer in der Bildhauerei vermittelt ihm die Vorliebe und den Respekt der edlen Materialien und der hartnäckigen Arbeit. Er erhält ein Stipendium, um die Techniken des Carrara-Marmors zu erlernen, was ihm dabei hilft, sich von der argentinischen Diktatur zu lösen. Er beschließt, in Frankreich zu leben.