J. Min Jung-Yeon
"Tissage"
Das Werk stützt sich auf Erlebnisse der Künstlerin und die tragische Wirklichkeit eines Koreas, das seit sechsundsechzig Jahren in zwei Teile gespalten ist.
Seine theoretische Grundlage besteht aus zwei Komponenten. Min Jung-Yeon bedient sich der Philosophie von Laozi zu den Gegensätzen – die als notwendig und als Erzeuger von Neuem angesehen werden – und betrachtet ihr Werk als Teil dieser jahrtausendealten Konzeption, nach der die Leere nicht leer ist, sondern Erzeuger von Energie. Auch die heutige Wissenschaft und die Überlegungen zu Zeit und Raum des Quantenphysikers Carlo Rovelli sind für sie Inspirationsquelle: glaubte man früher, dass der Weltraum leer sei, so spricht man heute von „dunkler“ oder „transparenter“ Materie, deren Kern es noch zu entdecken gilt. Was die Zeit anbelangt, weiß man nun, dass sie relational und vielschichtig ist, nicht einheitlich und einseitig gerichtet, wie es unsere menschliche Wahrnehmung nahelegt...
Anhand dieser realen, philosophischen und wissenschaftlichen Elemente hat Min Jung-Yeon ein immersives Monumentalwerk erschaffen. Der Besucher ist Herr seines Umherwandelns, wird aber zugleich unwillkürlich von einem ungeheuerlichen Kaleidoskop ergriffen, in dem sich Flechtwerke übereinanderlegen und verweben. Das Spiegelbild ist das einzig Wirkliche einer Zeit, die keine Ordnung hat ... Die Betrachtungsweisen in Schichten wechseln in einem fort. Hier vollzieht sich eine endlose organische Dynamik.
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Min Jung-Yeon kam 1979 in Gwangju in der Republik Korea zur Welt.
Sie wuchs in der ländlichen Gegend Südkoreas auf, wo sie schon in sehr jungen Jahren in endlosen Naturbetrachtungen versank. 1997 geht sie nach Seoul und studiert an der Universität Hongik plastische Künste. Danach verspürt sie den Drang, sich mit anderen Denkweisen auseinanderzusetzen; Min Jung-Yeon verlässt Korea und beginnt ein Studium an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris, das sie 2006 erfolgreich abschließt. Seitdem lebt sie in Frankreich und setzt ihr Werk fort, das von diesen Begegnungen und solchen aus ihrem Land geprägt ist, dem heutigen Korea, das hin- und hergerissen ist zwischen Konsumerismus und Tradition.
In der unendlich feinsinnigen Welt der Min Jung-Yeon ist nichts statisch. Nichts ist vollkommen reell und nichts ist völlig imaginär. Ihre Werke präsentieren sich als szenische, frontale Kompositionen, vor denen man den Atem anhält. Zum Ausdruck kommen hier das Innere der Künstlerin, ihre Zugehörigkeit zu einem zeitgeschichtlichen Kontext und ihre Faszination für die Wissenschaften, insbesondere für die Erforschung des Raumes.
Min Jung-Yeon hat 2011 an Medi(t)ation teilgenommen, der dritten asiatischen Biennale für zeitgenössischen Kunst im National Taiwan Museum of Fine Arts. 2011 ist sie Preisträgerin des vom Musée d’Art Moderne verliehenen Prix des Partenaires des Gemeindeverbands Saint-Etienne Métropole. Ihren Zeichnungen - Demander le chemin à mes chaussures - widmet das Museum 2012 eine Ausstellung und einen Katalog. Mehrere ihrer Zeichnungen werden nun in die Sammlung des Museums aufgenommen. 2015 wird ihr Werk in der Ausstellung Séoul-Paris-Séoul im Musée Cernuschi in Paris präsentiert. 2017 ist im State Museum of Oriental Art in Moskau ihre Ausstellung The Memory of Space zu sehen. Das Musée National des Arts Asiatiques - Guimet (Paris) überlässt ihr 2019 eine „Carte Blanche“, d. h. einen gestalterischen Freibrief.
Seit 2004 stellt sie regelmäßig in Galerien in Asien und Europa aus, seit 2010 arbeitet sie mit der Galerie Maria Lund in Paris zusammen. Dort zeigte sie vier eigene Ausstellungen: Mémoire de la serre (2012), Hier je comprenais mieux aujourd’hui (2015), La lettre de Pluton (2018) und L’aube après la nuit (2020). Die Galerie Maria Lund präsentierte ihr Werk auch bei Messen (Drawing Now, Paris, 2010, 2011 und 2012 - YIA, Paris 2014 und 2015 - Art Paris, 2016 - ASIA NOW, Paris 2017, 2018 und 2019) und kollektiven Ausstellungen.