„Die Filme von Ozu, Naruse, Uchida, Kurozawa und so vielen anderen Filmemachern weckten mein Interesse für die japanische Kultur in einer Zeit, in der ich begann, in den 70er Jahren die Fotografie für mich zu entdecken, und von daher wurde ihr Einfluss auf meine Arbeit vorherrschend – genaue Bildeinstellung, Licht im Inneren japanischer Häuser, Ästhetizismus der Pläne und Folgen, Skizze der Dekors – ja, ich verdanke der japanischen Kultur, ihrem Kino und insbesondere ihrer Fotografie einen ästhetischen Anspruch, den ich in den über 40 Jahren meiner fotografischen Arbeiten nie aufgegeben habe.
Dies beschäftigt mich auch noch heute seit 4 Jahren bei dieser Arbeit mit den 200 schönsten japanischen Gärten, „Orten der landschaftlichen Schönheit“, wie sie der japanische Kulturminister nennt.
Die Begegnung mit Japan – in Japan – ließ lange auf sich warten, ich musste viel Zeit verbringen, viele Fotoprojekte durchführen, die mich, bevor ich Japan entdeckte, in einem ruhelosen Leben zu den Völkern Afrikas, Malis, Äthiopiens, Somalias, Marokkos, Amerikas, Mexikos, Guatemalas, Honduras, Perus, Panamas, Chiles, Boliviens, Patagoniens, zu den Indianern im Amazonasgebiet, nach Indien, Südostasien, lange Zeit nach China, Vietnam, Kambodscha, Indonesien und zu so vielen anderen Völkern führte, denen ich am Rande dieser Welt begegnete.
Die Begegnung mit den Gärten Japans ist eigentlich nur eine Etappe in diesem Streben nach der Entdeckung anderer Welten, das von einer unersättlichen Neugier herrührt; ich möchte nicht sterben, bevor …………….. sagte Boris Vian.
Was treibt Sie an, unentwegt ans Ende der Welt zu gehen, fragte ein Journalist einen berühmten Reisenden, und er antwortete: Was mich interessiert, ist das, was dahinter ist.
Ich wollte wissen, was sich hinter diesem Japan meiner Kultur verbirgt,
vor den Mysterien der Zen-Gärten meditieren, ich wollte dem begegnen, was sich hinter jenen Städtenamen verbirgt, die mich so zum Träumen brachten, ich wollte Japan entdecken, das Japan, das sich hinter dem allen verbirgt.
Was mich sehr schnell bei meinen ersten Konfrontationen mit den Gärten Japans angesprochen hat, war, dass ich dort sofort das wiederfand, was mich bei meiner fotografischen Arbeit in der Begegnung mit dem japanischen Kino und der japanischen Fotografie beeinflusst hat, ich verfolgte dieselbe Sublimation des Raums, dieselbe ästhetische Strenge, dieselbe Inszenierung dieser Objekte im Raum, Stein, Brücke, Insel, Laterne, Wasser oder sein Fehlen, das in diesem Rieseln von den Steinen angedeutet wird, Gebirge, die so kodierte, so beherrschte und gleichzeitig so leichte Vegetation, jene so erfüllten Metaphern mit einer so dichten Bedeutung und so bar jedes Ausdrucks, wie es die Zen-Gärten der Tempel sind, die ich zumeist über den Vorbau, eine Art Veranda, die Häuser oder Tempel entdeckte, die fast mystische Union rechter Winkel und natürlicher Formen, über die Kunst, die Gärten Japans, den Ort der Kontemplation, ja der Meditation selbst, zu sehen, und dies ist eine vollkommen fotografische Sicht des Raums, da sich der Garten in diesem rechteckigen Rahmen zeigt, der ein Vorläufer des Fotorahmens ist.
So verspürte ich meine ersten Emotionen angesichts dieser Schönheit, angesichts dieses Mysteriums, warum das funktioniert, wie diese gesamte Gestaltung, bei der nichts dem Zufall überlassen ist, bei der die ganz alte Kunst des Behauens von Steinen beteiligt ist, bei der häufig die Ausrichtung des Gartens sich den Anforderungen der chinesischen Geomantik beugt, in der die Hand des Menschen allgegenwärtig ist und mir einen derartigen Eindruck von Ruhe, Gelassenheit, Schönheit, Stille, Immanenz vermittelt.
Ich hatte sowohl mein Fotomotiv, das zwangsläufig der Erfordernis gerecht werden musste, diese Schönheit bestmöglich wiederzugeben, und dann mein ehrgeiziges Ziel erfüllen sollte, zu versuchen, dieser Frage nach dem Warum das funktioniert nachzugehen, und es ist mir zumindest noch nicht gelungen, eine Antwort darauf zu finden, doch ist das so wichtig?
Wichtig ist doch, dass es ist.
Der japanische Kulturminister hat also eine Liste mit etwa 200 beeindruckenden Gärten im gesamten japanischen Staatsgebiet erstellt, die sich natürlich in der Mehrzahl in den Regionen Nara und Kyoto befinden, in denen die historischen Hauptstädte Japans liegen. Ich nutzte also gerne diese Liste als Leitfaden, selbst wenn ich nicht die Absicht habe, eine fotografische Bestandsaufnahme dieser 200 Gärten zu erstellen, zumal einige in dieser Liste nur wegen ihres historischen Interesses oder ihres Alters aufgenommen sind und ästhetisch gesehen uninteressant sind, zumal einige andere Gärten gerade restauriert werden, andere eine Woche im Jahr geöffnet sind und schließlich andere, die ich bei meinen Nachforschungen gefunden habe und die manchmal ganz außergewöhnlich sind, gar nicht auf dieser Liste stehen.
Diese Ausstellung ist also das Ergebnis einer langen fotografischen Reise in über einhundert Gärten von Hokkaido bis zu den äußersten tropischen Inseln von Okinawa über fast alle Präfekturen von Aomoris bis Kagoshima. Einige dieser Gärten waren leicht zu finden, andere musste ich aufgrund ihrer isolierten Lage und ihres geringen Bekanntheitsgrad (was natürlich nichts mit ihrer häufig außergewöhnlichen Schönheit zu tun hat) lange suchen.
Diese Arbeit ist vor allem die Arbeit eines Künstlers, eines Kunstfotografen, auch wenn mein Vorgehen bisweilen einer anthropologischen Arbeit über die Geschichte der Gärten gleichen mag, was eine Arbeit für die Zukunft sein könnte.
Es ist somit eine Geschichte der Schönheit, eine Geschichte der Schönheit der Gärten Japans, der jahrhundertealten Schönheit der Kunst, in einem häufig beschränkten Raum die Schönheit der natürlichen Welt, die Schönheit der beeindruckendsten Landschaften Japans, sogar Chinas oder Landschaften der Kosmogonie und der Glaubensrichtungen – seien sie schintoistisch oder buddhistisch - einzufangen.
Eben diese Schönheit versucht diese Ausstellung wiederzugeben.“ Claude Lefèvre