Für die Mitglieder des Autorenkreises Oulipo (OUvroir de LIttérature POtentielle – „Werkstatt für potentielle Literatur“) besteht Poesie aus Wörtern, und die Wörter bestehen aus Buchstaben - Konsonanten und Vokalen. Der Gedanke, ein Gedicht zu schreiben, dessen Vokale durch Blumen ersetzt werden, kam uns schnell: fünf Blumenarten für die fünf Vokale. Dies wäre eine direkte Hommage an Baudelaire, für den „die Düfte, die Farben und die Töne einander antworten“ (Sonett Correspondances), und an Rimbaud, der Vokale mit Farben assoziiert (Sonett Voyelles).
Der Spaziergänger in unserem Park sähe sich veranlasst, das gesamte Gedicht zu erraten, das sich seinen Blicken in Form eines großen Pflanzen-Quadrats bietet, wobei die Konsonanten bereits in rostfarbenen Metallbuchstaben geschrieben sind und die Vokale nur aus Farben von Blumen bestehen, in einer Abstufung von warmen zu kalten Tönen, und das E ein weißes Medium ist.
Unser Garten mit dem Titel Le jardin des voyelles (Der Garten der Vokale) ist eine Augenweide, ein Gedicht, das den Streifzug des einsamen Spaziergängers von Chaumont-sur-Loire, der seinen Gedanken nachhängt, heraufbeschwört, und gleichzeitig ein Rätsel, eine Art Genuss des Verstandes und der vereinigten Sinne.
GESTALTUNG
OULIPO (OUvroir de LIttérature POtentielle)
FRANKREICH
OULIPO – ein Name, der in Frankreich und auch im Ausland für viele beinahe mythisch geworden ist. Er bezeichnet eine Gruppe, OUvroir de LIttérature POtentielle, die 1960 von dem Paar Raymond-Queneau-le-Poète und François-Le-Lionnais-le-Savant gegründet wurde. Die Idee der beiden Kameraden und Gründer war, die Mathematik und die Wissenschaften im Allgemeinen zu hinterfragen, um neue literarische Formen und Strukturen zu erarbeiten. So mussten sie die Nutzung des Zwangs aufarbeiten, entweder durch die Wiederaufnahme alter Zwänge, oder durch das Angebot neuer Zwänge.
Nach mehreren Jahrzehnten literarischer und linguistischer Erkundungen hat die Gruppe die Fruchtbarkeit ihrer Methoden hinlänglich unter Beweis gestellt. Die Arbeit von OULIPO, die von der einfachen, lustigen Unterhaltung bis hin zur Erstellung von langwierigen Werken – wie die von Perec, Calvino, Roubaud – reicht, nimmt von nun an ihren Platz in der modernen literarischen Landschaftsgestaltung ein.
Des Weiteren wird Oulipo seit einigen Jahren häufig für direkte Arbeiten in der Stadt herangezogen, indem sie Texte bereitstellen, die auf Mauern oder in Denkmäler eingeschrieben werden. Die Straßenbahnhaltestellen von Straßburg, die Uni-Bibliothek der Universität Paris 8, die Nägel der Esplanade Charles de Gaulle in Rennes bezeugen dies.
In diese Richtung geht auch ein neues Projekt von OULIPO, das Jardin des voyelles (Garten der Vokale) im Schloss von Chaumont-sur-Loire.