Nicolas Floc'h
"Initium Maris"
Nicolas Floc’h hat das Lebendige – Pflanzen, Tiere oder Menschen – und seine Abläufe immer in seine künstlerischen Projekte einbezogen. Seit etwa zehn Jahren veranlasst Nicolas Floc’hs Interesse an der Darstellung der Unterwasserwelt zu einer dokumentarischen fotografischen Produktion, die mit den globalen Veränderungen und der Definition des Begriffs der Unterwasserlandschaft verbunden ist, sowie zu einer Serie, die sich mit den Farben des Wassers befasst. Es handelt sich um Fotografien, die auf das Monochrom in der Malerei anspielen und gleichzeitig von der Gesundheit der Ozeane und den biogeochemischen Zyklen zeugen, die durch menschliche Aktivitäten beeinflusst werden. Die mit Weitwinkel aufgenommenen Fotografien (Kohleabzüge) suchen weder nach Fischen noch nach Tauchern. Nicolas Floc’h möchte zeigen, was sich „sous le regard (unter dem Blick)“ ausbreitet. Der Künstler erzählt, dass er z. B. im Nationalpark Calanques in regelmäßigen Abständen von 10 Metern fotografiert hat, um „eine Wiedergabe der Küstenlinie, eine Bestandsaufnahme der Landschaften“ zu erhalten.
Auch wenn er während der gesamten Aufnahmen eine Auswahl trifft, ist das nichts im Vergleich zu der drastischen Auswahl, die er für eine Ausstellung treffen muss. Die Anzahl der aufgenommenen Bilder kann sich nämlich auf mehrere Zehntausend belaufen, da der Künstler nie nur für sich selbst arbeitet, sondern auch für Wissenschaftler, die morgen die Entwicklung des fotografierten Gebiets untersuchen müssen. „In seinem Fall wird die Unterscheidung zwischen Dokumentation und Werk oft außer Kraft gesetzt und ist im Allgemeinen wenig relevant. Was dann unter dem Begriff Werk zu sehen ist, entspricht der Spitze des Eisbergs, die untrennbar mit einem Ganzen verbunden ist, das die Vorbereitung, die Annäherung, die Reise, die Lernprozesse, die Beobachtung, die Bildaufzeichnungen, die Begegnungen, den Austausch usw. umfasst.“, erklärte Jean-Marc Huitorel 2018 in Glaz.
In der Domaine von Chaumont-sur-Loire präsentiert der Künstler Initium Maris. Im Gegensatz zur üblichen Unterwasser-Ikonografie beschreiben seine herrlichen Schwarz-Weiß-Fotografien Szenen eines Unterwasserwaldes, die an Fiktion grenzen. Sind wir noch auf der Erde oder entführt uns der Künstler in eine andere Welt? Bei ihm sind das Unbekannte und das Wunderbare nicht unbedingt jenseits unserer Galaxie zu suchen.
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Nicolas Floc’h ist Fotograf und bildender Künstler. Er wurde 1970 in Rennes geboren, lebt in Paris und unterrichtet an der Europäischen Kunsthochschule der Bretagne (EESAB) in Rennes. Seit seiner Kindheit war er direkt mit dem Ozean verbunden – er verbrachte seine gesamte Freizeit in La Turballe – und hätte Fischer werden können, entschied sich aber schließlich dafür, dass die Kunst sein Mittel zur Erforschung der Meeresumwelt sein würde. Seine Fotografien, Installationen, Filme, Skulpturen oder auch Performances hinterfragen eine Zeit des Wandels, in der Abläufe, das Verschwinden und die Regeneration einen wesentlichen Platz einnehmen. Er baut Projekte auf, die häufig mit gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Feststellungen sowie mit Produktionsprozessen verbunden sind, in denen er sich mögliche Entwicklungen vorstellt. Ausgehend von Langzeitprojekten, genährt von Erfahrungen, wissenschaftlichen Untersuchungen und Begegnungen, entstehen offene und in der Realität verankerte Werke, in denen evolutionäre Prozesse den ersten Platz einnehmen.
Seit 2010 beschäftigt sich Nicolas Floc’h in seiner Arbeit mit der Darstellung von Lebensräumen, der Unterwasserwelt und von Wasser- oder Luftlandschaften. Im Laufe der verschiedenen Serien ermöglicht diese dokumentarische fotografische Arbeit eine Annäherung an die sichtbaren und unsichtbaren Abläufe, die den Ozean, das Land, die Atmosphäre, das Eis und das Lebendige miteinander verbinden. Die Kunstprojekte Structures productives (2011), BOAT (2014-2018), die Ausstellung Glaz im FRAC Bretagne und die Residenz auf dem Schoner Tara in Japan im Jahr 2017 stellen wichtige Etappen in dem Prozess dar, der Nicolas Floc’h dazu veranlasst hat, das Fotoprojekt Paysages productifs von 2015 bis 2021 aufzubauen.
Initium Maris wurde in der Bretagne aufgenommen und ist die erste Serie davon, die zusammen mit der im Mittelmeer aufgenommenen Serie Invisible die umfassendste ist. Eine weitere maßgebende Serie ist La couleur de l’eau (seit 2016), die sich parallel entwickelte und es Nicolas Floc’h ermöglichte, heute große Land- und Luftgebiete wie das Einzugsgebiet des Mississippi (Villa Albertine, 2022) oder das der Rhône (Fondation Camargo, Cnap, 2022-2023) zu erforschen, indem er sie vom Ozean aus – dem entscheidenden planetarischen Ökosystem –betrachtet und durchdenkt.
Es sei darauf hingewiesen, dass der japanische Komponist Dai Fujikura im Auftrag des Orchesters Orchestre National de Bretagne ein Werk für Sinfonieorchester auf der Grundlage der Bilder von Initium Maris geschrieben hat, das im April 2022 in Rennes und im September 2022 im Museum für zeitgenössische Kunst Jeu de Paume in Paris welturaufgeführt und projiziert wurde. Der pädagogische Teil Initium Maris-Civis wird seit Herbst 2022 vom französischen Meeresforschungsinstitut Ifremer und dem französischen Bildungsministerium an Schulen im ganzen Land verbreitet. 2023 wird Initium Maris im Rahmen von Chaumont-Photo-sur-Loire präsentiert.
Nicolas Floc’h gewann 2018 den nationalen Fotoauftrag „Flux, une société en mouvement“ und 2019 den öffentlichen Kunstauftrag für Invisible mit dem Nationalpark Calanques in Partnerschaft mit der Camargo Foundation, der zu einer gleichnamigen Veröffentlichung bei Roma führte. 2022 residierte Nicolas Floc’h in der Villa Albertine, New York, USA.