A. Jean Le Gac
"En plein air"
Jean Le Gac, ein Künstler mit ungewöhnlichem Werdegang, inszeniert die Geschichte eines Malers und seine Beziehung zur Welt und zur Natur. Er posiert übrigens selbst als Landschaftsmaler. Diese mythische Figur des Malers ist für ihn eine „Metapher für die Malerei“.
Durch die permanente und gleichzeitige Verwendung von Text und Bild entführt er uns in seine poetische Gedankenwelt, seine inneren Reisen, die reich sich an Herbarien, Pflanzen, Pastellkreiden, Fotografien und Spuren von realen und irrealen Streifzügen.
Das Werk von Jean Le Gac ist das Ergebnis einer poetischen Liaison zwischen den drei Ausdrucksformen Fotografie, Malerei und Schrift.
Die Ausstellung in Chaumont-sur-Loire versetzt uns in die Vielfalt seiner Blickwinkel auf die Welt, seine Spaziergänge, seine Meditationen, seine Fantasie, sein Wechselspiel zwischen dem Sichtbaren und dem Nicht-Sichtbaren, dem Realen und dem Imaginären.
So hat sich im Laufe der Jahre eine ganz eigene Sicht des Künstlers auf die Welt, die Landschaften und die Natur, die ihn umgeben, herausgebildet. Die Ausstellung in Chaumont-sur-Loire, die zahlreiche Gemälde, Fotografien und Texte des Künstlers auf eine noch nie da gewesene Weise zusammenführt, ermöglicht es uns, ein originelles Universum zu betreten, nämlich das seiner Erinnerung, die zutiefst mit der unsrigen in Resonanz steht.
“(...) Meine Arbeit muss man an der Wand beurteilen. An der Wand sehe ich die Werke fragmentiert, zerlegt, wie man es von einem Motor sagt, dessen Einzelteile man auseinandergenommen hat. Es gibt den malerischen Teil, den fotografischen Teil und den textuellen Teil. Angesichts dieser Trilogie dachte ich eines Tages, dass die Malerei in schönen Gewändern daherkommt. Aber es ist die Fotografie, die immer zuerst betrachtet wird. Dieses Feld ist bekannt. Jeder glaubt sich in der Lage, sie zu verstehen. Dann kommt der Text. Der ist der Bösewicht! Zumindest für einen bildenden Künstler. Er verhält sich kontraproduktiv, da er die Hoffnungen des Betrachters nicht erfüllen wird. Er scheint das Werk einzuleiten, obwohl er am Ende des Schaffensprozesses steht. Er verleiht ihm eine geistige Farbe. Ich wähle den Text nicht aus, er drängt sich mir auf. Das ist eine ziemlich mühsame Arbeit, schwierig sogar, obwohl ich mich beim Schreiben kurz fasse. Oft nicht mehr als eine oder zwei Seiten.
Ich wurde von Kräften und Empfindungen umgetrieben. So starke Empfindungen, dass ich noch heute versuche, sie wiederzufinden. Dahinter verbarg sich ein ungeheures Vergnügen, das sich nur schwer in Worte fassen lässt. Künstler zu sein bedeutet, ein Terrain zu definieren, das einem die anderen nicht streitig machen. Einen einzigartigen Weg. Und wenn Sie ihn einmal abgeschritten sind, versuchen Sie ihn immer wieder zu finden, auch jetzt noch. Natürlich geht das nicht ohne Arbeit. Ich male, ohne zu wissen, wohin ich gehe, und dann kommt der Moment, in dem ich ahne, was zu tun ist. Etwas hallt in mir wider. Dann ist es egal, ob man für ein Foto kilometerweit fahren muss oder sich beim Schreiben verausgabt ... die Glöckchen läuten! Ich bin ganz nahe am Ziel“. Gespräch mit Jean Le Gac, Marie-Laure Desjardins, ArtsHebdoMédias.
“(...) Wenn wir die Augen öffnen, sehen wir nur einen Teil der Landschaft. Schließen wir sie, sind wir in der Lage, sie im vollen Umfang mit 360° zu rekonstruieren, und das in einer Zeit, die höchstens so lange existiert, wie es uns gestattet ist, zu sehen. Jenseits dieser Grenze, jenseits dessen, was das Auge zu sehen vermag, wird die Gesamtheit der Welt nie erfasst und kann nur verstanden werden, indem man sich von ihr zurückzieht. „Ich besitze nicht die Mystik der reinen Malerei, sondern die Mystik des Aussprechens der Dinge ...“ (...) Es ist dieses verrückte Unterfangen, das der Künstler durch die Fiktion des Malers versucht: im Werk das Sichtbare zugleich mit dem Unsichtbaren, das es begrenzt, zu bestimmen, seine Transformation durch das strategische Spiel einer Form, die sich für das Verschiedene entscheidet, zu formulieren, Wort und Bild, die getrennte Wege gehen, im selben semantischen Feld zu bewegen, im selben physischen Raum zuzulassen, in dem der Maler sich exponiert auf Kosten des Künstlers, der sich entfernt, die Gegenwart des Werks für die Emanzipation von der Vergangenheit öffnen, die zu allen Zeiten wieder auftaucht, das Feld der Möglichkeiten durchbrechen, indem man einen Hors-champ einbaut, der den Betrachter ins Vertrauen zieht, natürlich nur, wenn er sich die Mühe machen will und sich selbst in den Zustand des Durchbrechens begibt“. Evelyne Artaud mit Zitat von Jean Le Gac in Kursivschrift
So ist Jean Le Gac ein Künstler mit vielen Identitäten, „ein fotografierender Maler, ein zeitgenössischer Maler, ein nicht-existierender Maler, der interpretierende Maler, der virtuose Maler, der Maler, der an den Rändern der Kunst umherirrt, der Schattenmaler, der Maler, der Bücher sammelt, der Chamäleon-Maler, der unechte Landschaftsmaler, der Landschaftsmaler, der Maler von Geschichten aller Art, der Maler, der die Fiktion in die bildenden Künste eingeführt hatte, kein Schundgenie, der zerstreute Maler, der Nachtmaler, der romantische Maler.“ Robert Bonaccorsi
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
Schon früh zeigt Jean Le Gac (1936 in Alès-Tamaris) eine außergewöhnliche Begabung für das Zeichnen und Malen. Er erwirbt ein Diplom als Lehrer für Zeichnen und plastische Kunst und unterrichtet ab 1958. In den späten 1960er Jahren macht er sich auf die Suche nach Vorbildern in den Geisteswissenschaften, der Literatur und dem Fotoroman und lässt sich von seinem persönlichen Leben inspirieren. Als er die „neue Kritik“ entdeckt, schult er sich in der Vorstellung, dass es keine Schöpfung ohne Diskurs gibt, und kommt sehr schnell zu dem Schluss, dass die Malerei nicht ohne Kommentar auskommen kann. Mit Cahiers (1968–71) präsentiert er 26 offene Schulhefte, die auf jeder Doppelseite einen handgeschriebenen Text und eine Amateurfotografie zeigen.
Der Schweizer Kurator Harald Szeeman stellt seine Arbeit auf der Documenta V in Kassel (1972) im Rahmen der „Individuellen Mythologien“ vor. Die Figur des Malers taucht in den folgenden Werken, bei denen sich Texte und Bilder an der Wand entfalten, immer häufiger auf (Le peintre, 1973).
1977 widmet ihm der Hamburger Kunstverein eine Retrospektive mit dem Titel Le Peintre, die in Westdeutschland, München und Aachen, auf Reisen geht. Im darauffolgenden Jahr präsentiert das Musée National d’Art Moderne eine aktualisierte Version der Ausstellung mit neuen Exponaten, die speziell für das Centre Pompidou konzipiert wurde: Le Peintre, exposition romancée.
1987 entsteht im Auftrag des Kunstmuseums FRAC Centre das Werk Histoire, das die Geschichte der Dynastie der Könige erzählt, die über Frankreich herrschten und deren Wiege sich in der Region Centre-Val de Loire befindet. Das Werk ist eine Mischung aus Foto, Text und gemischten Techniken, den bevorzugten Ausdrucksmitteln des Künstlers, ein Tryptichon, das einberufen wurde, um die großen Taten der französischen Geschichte zu feiern, das jedoch nicht mit einem besonderen Herzensanliegen Jean Le Gacs bricht: der intimen Verschmelzung seines Werks mit seiner persönlichen Geschichte. Im oberen Bild findet man übrigens die Inschrift: „Der Maler fand seine eigene Geschichte in seinen Bildern, die in seiner Jugend seine künstlerische Berufung in ihm weckten“.
Jean Le Gac dreht auch Videos, 25e Message (1995) oder In Memoriam (1999), in denen er sich seine eigene Totenwache vorstellt.
In den Jahren 2002 und 2003 organisiert er einen Kunstparcours in der Stadt Vence, der zwei Ausstellungen umfasst: eine im Château de Villeneuve, wo er alle Räume belegt, die andere in der Galerie Beaubourg-Château Notre-Dame-des-Fleurs. In der ersten Ausstellung sind seine Werke neben denen anderer, akribisch ausgewählter Künstler zu sehen. Indem er manchmal auf die vorhandenen Gegenstände und sogar auf die Farbe der Wände Einfluss nimmt, schafft er eine Umgebung, in der Verbindungen, Interaktionen oder Korrespondenzen entstehen, die eine Geschichte erzählen. Umgekehrt hat die Galerie eine orientalistische Welt rund um seine Gemälde zum Thema Odalisken geschaffen.
Im Jahr 2010 wurde die Jean-Le-Gac-Ausstellung in der Sammlung àcentmètresdumonde in der Maison René Char in L’Isle-sur-la-Sorgue und im Pavillon Carré de Baudouin in Paris gezeigt. Zu sehen sind seine Gemälde aus der Sammlung des Kunstzentrums von Perpignan.
Neben seinen Einzelausstellungen nimmt er jedes Jahr an Gruppenausstellungen an symbolträchtigen Orten zeitgenössischer Kunst teil, wie dem Centre d’art contemporain in Ivry – Le Credac (Tout le monde, 2015), dem Musée d’Art moderne et contemporain in Saint-Etienne (Considérer le monde: Narrative Art, 2017), der Fondation Maeght in Saint-Paul de Vence und dem Institut du monde arabe (2018).
Seine Position und sein künstlerischer Ansatz, der zwischen Bild und Erzählung angesiedelt ist, wirbeln die etablierten Kategorien durcheinander. Der angeblichen Wahrheit der Kunst und der Geschichte setzt Jean Le Gac das Simulacrum eines privaten, selbst erlebten und geträumten Abenteuers entgegen. Das Werk des Künstlers wird sehr häufig ausgestellt, vor allem in Frankreich, aber auch in Deutschland und Japan (2011–2017).