Der Mensch inspiriert sich hier an Verhaltensweisen der Natur, um seine individuellen und kollektiven Werte neu zu definieren. Die Komplexität der Verbindungen zwischen den Pflanzen kann überraschend für uns Menschen sein, die wir angesichts der unterschiedlichen Krisen, durch die unsere Gesellschaft geht, auf der Suche nach Erneuerung sind.
In diesem Garten wird der Trend der Biomimese umgekehrt: Wie wäre es, wenn wir uns wieder als gleichberechtigten Teil des Ökosystems verstehen würden, anstatt die Natur zu konsumieren, zu ruinieren und zu unterwerfen? Im Herzen des Gartens steht ein spektakulärer Birkenbrunnen, eine wahre Insel der Frische, symbolisch für die Harmonie der Verbindungen zwischen den Lebewesen. Das Wasser fließt in Kanälen aus halbierten Bambusrohren durch den Garten, eine uralte chinesische Methode zur Bewässerung in den Gebirgsregionen. Sichtschutzelemente aus Bambus und Schachtelhalmen leiten den Spaziergänger und geben allmählich den Blick frei auf Blumenbeete, die dem Brunnen in unterschiedlichen Blautönen gegenüberliegen. Der immer üppiger werdende Pflanzenwuchs verdichtet sich zu einem nährenden Wald. Von der Bodenbedeckung über Sträucher mit Früchten bis hin zum Blätterdach der Bäume beruht die Pflanzenvielfalt auf Gesellenbruderschaft und Agroforstwirtschaft. Die Vereinigung der ausgewählten Pflanzen wird zu einem wahren Zusammenwirken, das eine bessere Entwicklung der verschiedenen Lebewesen garantiert. Sie schützen und stärken sich gegenseitig, wie Yin und Yang in der chinesischen Philosophie.
Dieser Garten ist eine Antwort auf das lebenswichtige Bedürfnis, mit der Natur in Kontakt zu sein. In der Beziehung zum Lebendigen findet der Mensch einen Raum zur Selbstbesinnung.
GESTALTUNG
Élodie COTTAR und Xinye TONG, DPLG-Landschaftsgestalterin, und Nassera AMIOUR, Stadtplanerin
FRANKREICH / CHINA
Elodie Cottar
„Mit meiner Begeisterung für Künste und Inszenierungen habe ich unterschiedliche kreative Bereiche erkundet, von Modedesign über Raumgestaltung bis hin zu Literatur, Malerei und Theater, um letzten Endes alle diese Fertigkeiten zu kombinieren und in die Landschaftsgestaltung zu stecken. Aufgrund dieser Multidisziplinarität liebe ich es, die Künste miteinander zu verknüpfen, um Landschaft als ein vielfältiges Ganzes, das man betritt wie eine Bühne, zu ersinnen und zu entwerfen. Nach drei Jahren beim Dienst für Landschaftsplanung der Stadt Paris und zwei Jahren beim Rat für Architektur, Städtebau und Umwelt von Paris (CAUE), in denen ich mir Fachwissen zum Thema Landschaft angeeignet und öffentliche Aktionen zur Sensibilisierung für diese Herausforderungen durchgeführt habe, habe ich mich heute dafür entschieden, mich selbstständig zu machen, um mein berufliches Projekt weiterzuentwickeln, das ich im Zuge meines Studiums an der École Nationale Supérieure de Paysage von Versailles in die Wege geleitet habe. Ich entwickelte eine persönliche, wissenschaftlich belegte Betrachtung über die Fähigkeit blinder Menschen, die Landschaft zu fühlen und Zugang zu ihr zu bekommen. Und im Folgenden überlegte ich, wie die Landschaft Zugang zu Menschen bekommen kann, die eine Behinderung oder Verhaltensstörungen haben. Mit dem Prinzip der Kunsttherapie möchte ich heute Begegnungsateliers in Form von Stadtspaziergängen, Mitmachbaustellen und Werkstätten zur Mitentwicklung ,künstlerischer/therapeutischer‘ Gärten entwickeln. Durch diese experimentelle Vorgehensweise, die die verschiedenen Sinne und die zum Ausdruck gebrachte Sensibilität verschiedener Menschen anspricht, habe ich einen ständigen Anreiz für schöpferisches Wirken und Erneuerung, den ich für meine weiteren Landschaftsprojekte nutze, für die ich mich ebenfalls einsetze, sei es bei der Sanierung und Erschaffung von Gärten oder bei szenografischen Installationen."
Xinye Tong
“Ich stamme aus Guiyang, einer Gebirgsstadt im Südwesten Chinas, und habe meine Kindheit in einer Region verbracht, in der Natur und Tradition gut erhalten sind. Bei meinem Studium in Landschaftsarchitektur an der Chinesischen Landwirtschaftsuniversität von Peking von 2007 bis 2011 habe ich unterschiedliche Disziplinen der Landschaftsgestaltung erlernt, von der traditionellen chinesischen Gartenkunst über Botanik und Gestaltung des öffentlichen Raumes bis hin zu Projektwesen im Bereich Landschaft. 2012 konnte ich meine Kenntnisse und Erfahrungen im künstlerischen Bereich bei einem einjährigen Praktikum in einem zur Universität gehörigen Atelier für Kunst im öffentlichen Raum vertiefen. Diese Sichtweise auf Kunst und Kultur hat mich für Frankreich begeistert und ich beschloss, dort mein Studium fortzusetzen. Der Master 2 in Stadtlandschaft, den ich 2013 an der Universität von Angers und am Agrocampus Ouest erlangte, hat mir eine völlig andere soziale Sichtweise bei der Landschaftsplanung eröffnet als in China. Danach studierte ich 4 Jahre lang an der Ecole Nationale Supérieure du Paysage in Versailles und wurde 2018 DPLG-Landschaftsplanerin. Am Ende meines Studiums in Versailles kehrte ich für meinen persönlichen Studienabschluss zurück in meine Heimatprovinz Guizhou. Diese Reise in meine Heimatregion nach jahrelangen Studien in Peking und Frankreich hat mich dazu gebracht, über meinen ganz eigenen Wert als multikulturelle Landschaftsplanerin und über meinen persönlichen Werdegang nachzudenken. Seit 2018 arbeite ich als Landschaftsplanerin in der Agentur Florence Mercier Paysagiste in Paris. Durch meine Arbeit in einem kosmopolitischen Team an internationalen Projekten in Frankreich und China habe ich eine multidisziplinäre und multikulturelle Herangehensweise, die ich versuche in meinen Projekten zum Ausdruck zu bringen. Die traditionelle Gartenkunst und die kulturelle Denkweise Chinas aufleben zu lassen und gleichzeitig einen zeitgenössischen Blick auf die Raum- und Landschaftsgestaltung zu richten, das ist heute charakteristisch für meine Arbeit als Landschaftsgestalterin.”
Nassera Amiour
„Ich bin in Lothringen geboren und ausgebildete Stadtplanerin. Ich interessierte mich in erster Linie für Mitsprache und Bürgerbeteiligung bei Gebietsprojekten, wodurch ich eine besonders feinfühlige Herangehensweise an das Thema Gebietsplanung entwickelt habe. Ich arbeitete am Begriff des öffentlichen Raumes, ein Ort spontaner Begegnungen, und untersuchte in meinen studentischen Forschungsarbeiten seine Zugänglichkeit. Momentan entwickle ich unterschiedliche Vermittlungswerkzeuge (Fotos, Videos) als Handlungsstütze, um das Gebiet zu beleben und zu veranschaulichen. Ich schätze es, Arbeitsweisen und die Überschneidung von Disziplinen variieren zu können, was auch meine Zusammenarbeit mit Elodie Cottar und Xinye Tong erklärt. Infolge einer beruflichen Erfahrung mit der Landschaftsgestaltung von Schulhöfen reifte in mir schnell der Wunsch, mir die Szenografie zum Beruf zu machen, deswegen studiere ich seit Januar 2020 an der École Nationale Supérieure d’Architecture von Paris-Belleville Szenografie. Durch diese Erfahrung konnte ich auch das Verhältnis, das wir in der Stadt und in der Gesellschaft zur Natur haben, analysieren. Die Entwicklung der szenografischen Konzeption in meinem Beruf geht mit gesellschaftlichen Überlegungen einher, die meine Freude am Experimentieren begleiten."